Moin, moin,
und weiter geht die Geschichte. Die nächsten Jahre können wir überspringen – Band 5 bekam ich auch im Alleingang fertig und auch bei der Zusammenarbeit mit Modellbahnhersteller ergab sich nicht grundlegend neues. Allerdings kamen immer mehr Firmen dazu …
Recherche und Anschriften
2000 erstellte ich bereits die ersten Güterwagenanschriften in Spur I für Wolfgang Hübner und hier sind die Herausforderungen deutlich höher als für H0-Wagen. In kleinen Spurweiten kann man kleinste Anschriften durch einen Blindtext ersetzen, in Spur I sollte z.B. bei den Kds 54/56 die Bedienungsanleitung auf der kleinen Blechtafel neben der Leiter schon lesbar sein …
2003 wagte ich mich dann mit der Baureihe 64 (ebenfalls für Hübner) auch an Lokomotivanschriften. Wenige Jahre später waren sie für mich in Epoche II – IV Routine, ebenso wie Reisezugwagenanschriften für denselben Zeitraum.
Selbstverständlich war ich dabei anfangs auf Hilfe angewiesen: Hermann Hoyer kopierte mir seine Reisezugwagen-Beheimatungsverzeichnisse und -Anschriftenzeichnungen und Harald Ott machte mir Original-Anschriftenzeichnungen von Dieselloks aus dem Fleischmann-Archiv zugänglich … und je tiefer ich in die Materie einstieg, um so deutlicher wurde aber auch der Unterschied zwischen Theorie und Praxis, sodass ich dazu überging mich bei Anschriften immer mehr auf Fotos zu verlassen. 2007 fuhr ich deshalb extra nach Berlin um für den VT 18 von Kato alle Anschriften an dem damals noch nicht aufgearbeitet Museumszug zu fotografieren …
In den Folgejahren kamen immer mehr Hersteller großer Spurweiten dazu: Kiss, KM 1, Lenz und Schnellenkamp. Mit einigen Firmen, die sich „beratungsresistent“ zeigten und meinten ich wäre nur ihr „Erfüllungsgehilfe“, währte die Zusammenarbeit nur kurz – dafür war mir meine Zeit zu schade. Es entstanden aber auch hier über die Jahre sehr gute, auch private Kontakte, die bis heute andauern.
Entwicklungen
Reichte in der Anfangszeit noch die Erstellung der Farbvorgaben und Anschriften, wurden die Aufgaben immer komplexer. Irgendwann kam der Wunsch von mehreren Herstellern, dass ich auch Anschriften für ausländische Güterwagen erstellen möge und ich begann erneut Schriften zu konstruieren – meist anhand der Fotos von Fritz Willke.
Während es bei Reisezugwagen lange Zeit genügte, dass die Wagen derselben Direktion gehörten (und daher einfach irgendein Direktionsname hinter die Nummer geschrieben wurde), stiegen mit den zur Verfügung stehenden Unterlagen auch die Ansprüche: Die Beschriftung erfolgt seit mindestens 20 Jahren anhand der Beheimatungslisten. Roco treibt den Aufwand seit etlichen Jahren noch weiter: Zugsets stellten wir anhand von Zugbildungsplänen zusammen, so z. B. 2011 den Beograd-Express …
… oder anhand von Fotos aus der Zeit, wie 2022 dem in Kleve beheimateten den Personenzug aus preußischen Dreiachsern: Ich bekam im Urlaub eine E-Mail von Christian Auerweck: „Stefan, wir wollen einen Personenzug mit einer 24 und unseren preußischen Dreiachsern auflegen“. Auch ohne Unterlagen lautete meine Antwort: „Ich würde den Zug nicht artrein machen, für die erste Klasse (ich war zu der Zeit noch von einem Zug nach 1956 ausgegangen) solltet Ihr eine Donnerbüchse vorsehen. Noch am selben Tag war die Produktionsmatrix entsprechend geändert.
Nach dem Urlaub begann dann die Recherche: 1953 waren alle gewünschten Wagen noch in Kleve beheimatet, einzig den Gepäckwagen gab es in der BD Köln nur noch in Aachen, aber der konnte ja ein Jahr später bereits umstationiert worden sein. Ein geeigneter Zug war auch bald gefunden: Der Klever Umlauf für die Baureihe 24 sah im Sommer 1956 mehrere Frühpersonenzüge von Duisburg nach Kleve vor und da es damals nicht unüblich war, dass in diesen Zügen auch Post und Expressgut für die Unterwegsbahnhöfe befördert wurde entstand noch ein Ergänzungsset mit einem weiteren Personenwagen einem vierachsigen Postwagen und einem Gmhs 53.
Aber es gab auch sonst immer wieder neue Herausforderungen. Eine davon war die Entwicklung der Bedruckung für die Brawa-Silberlinge (2019) – ausführlich habe ich es nach Erscheinen der Wagen in MIBA 12/2020 beschrieben. Lichtreflexe auf geschliffenen und polierten Flächen, die aber genaugenommen durchgehend dieselbe Farbe haben, lassen sich durch eine Bedruckung nur unvollkommen wiedergeben. Mein Vorschlag, den Brawa dann letztendlich auch realisiert hat, war die Bedruckung in einem geringfügig abweichenden Farbton und zusätzlich der Überzug mit glänzendem Klarlack im Bereich der polierten Fläche.
Auch die Farbfestlegung und die Konstruktion der Anschriften für den Lufthansa-Express und den 403 im Ablieferungszustand für die Modellnahn Union in Spur N im Jahr 2021 brachte wieder neue Herausforderungen. Das galt insbesondere für die Bedruckung der Klappen der Aggregateschränke unter dem Fussboden und die Anschriften auf den Mittelwagen. Und bei den MAN-Schienenbussen ging dann mal wieder das Suchen los, was tatsächlich auf den Triebwagen stand: unten ein Ausschnitt aus der Illustrator-Datei für die Lackierung und die Anschriften des MAN-Schienenbusses der Modellbahn Union in der Ausführung als Rebenbummler – der noch einmal groß gezeigte Ausschnitt mit den beiden Aufklebern ist im Modell knapp 5 mm breit.
Teamwork
Nicht nur Güterwagenbücher entstehen im Teamwork – dazu mehr im nächsten Blogbeitrag –, sondern auch so manche Anschriften:
Gerhard Fleddermann, der auch 2014 an der Neuauflage des „Ziegelsteins“ (Die Güterwagen der DB AG) mitgearbeitet hat, hat so manchen Anschriftenbaustein für europäische Epoche-IV-Güterwagen konstruiert.
Jochen Leisner – AW Lingen – hat nicht nur geätzte Anschriftentafeln für Kesselwagen erstellt (u.v.m.), sondern auch die Buchstaben und Ziffern der DIN-Schriften für die Beschriftung von Museumsfahrzeugen in 1:1 überarbeitet bzw. neu konstruiert. Gemeinsam habe wir damit die Anschriften für mehrere Wagen der 3seenbahn erstellt.
Hark Neumann und Uwe Köppen haben anfangs bei der Recherche zu 26,4-m-Wagen geholfen. Nachdem ich die direkten Kontakte zu den Modellbahnherstellern hergestellt hatte, konnte ich mich schon bald aus diesem Themengebiet ganz ausklinken …
Und schließlich haben Ekkehard von Natzmer und ich in den letzten Jahren gemeinsam einige Variantenuntersuchungen für Dampfloks als Konstruktionsgrundlage aufgestellt, wie z. B. die 86 und 38.10 von Roco. Ziel war es, mit einer vertretbaren Formenvielfalt, möglichst viele Varianten für alle Epochen zu ermöglichen: 38.10 mit Ackermann-Sicherheitsventilen braucht man dafür ebenso wenig wie 86er mit geschweißten Ersatzzylindern …
Und jetzt?
Vor etwa einem Jahr habe ich alle Firmen, mit denen ich zusammenarbeitete, informiert, dass ich nach meinem 70. Geburtstag keine Anschriften mehr erstellen werde. Zum einen geht eine solche Arbeit, bei der man hochkonzentriert stundenlang am Rechner sitzt, auf die Augen. Zum anderen möchte ich meine „Restlaufzeit“ lieber für andere Dinge, die mir wichtiger sind, nutzen: Dazu gehört natürlich die Recherche und Produktion weiterer Bücher, aber insbesondere auch die immer noch knappe Freizeit mit Silke und Willy zu genießen.
Der 70. Geburtstag war vor einer Woche … und Knut Habicht und ich kümmern uns nun um die Druckvorbereitung von Güterwagen Band 10.
Grüße aus Hamburg
Stefan Carstens